Geschichte vom Forsthaus Kalkofen
Als romantisch gelegene, vielbesuchte Waldgaststätte hat das einsame Forsthaus am Waldrand östlich von Arheilgen in den letzten Jahren weite Bekanntheit erlangt. Nachdem die Erfrischungsstätte des Försters auf dem Koberstädter Falltorhaus eingegangen ist, finden die Besucher der nördlichen Stadtwälder auf dem „Kalkofen“ endlich wieder die Möglichkeit zu einer Einkehr.
Das Forsthaus selbst hat seine Tore als Dienstsitz einer Revierförsterei schon 1968 geschlossen. Das traditionsreiche Revier Kalkofen wurde aufgehoben und den Nachbarrevieren Bayerseich, Messel und Fasanerie zugeschlagen.
Erbaut war die Forsthofreite – wie alle Altforsthäuser — auf landgräflichem Eigenbesitz. Hier war der Baugrund ein uraltes Erbstück: die „Ramstadt“. Sie war ein 1500 Morgen großes Ackerland in der Nordostecke der Arheilger Feldmark. Das Erbe kam von den Rittern von Königstein her, die im 13. Jahrhundert als Herren des Hofes „Ramstadt“ in Anerkennung ihrer treuen Dienste von den Katzenelnbogenern mit dem Arheilger Bezirk belehnt worden waren.
Auf diesem kargen Ackerland hatten die Arheilger Bauern bereits im Mittelalter eine Kalkader angezapft. Diese „Kalkkaute“ lag am Ende eines schmalen kalkhaltigen Geländestreifens, der von der Residenzstadt nach Norden zog. Auf dieser Geländeschicht standen auch die Darmstädter Ziegeleien am „Ziegelbusch“ und die Arheilger Ziegelhütten bei Kranichstein.
Aus der erwähnten Kalkgrube am Messeler Weg in der Ramstadt holten die Arheilger jahrhundertelang den wertvollen Baustoff für ihren Häuserbau. Dafür mussten sie Abgaben zahlen, wie eine Katzenelnbogische Rechnung von 1454 beweist: „myner gnedigen Herschaft von der Kalchgroben am Messeler Weg zu Zinß.“
Die Ramstadt
Die Ramstadt war als Ackerfeld nicht viel wert. Das Gelände war zu sandig, um landwirtschaftlich genutzt zu werden. Deshalb fiel es dem Landgrafen Ernst Ludwig 1699 offenbar leicht, den landsuchenden Waldensern das verwahrloste Feldstück zur Siedlung anzubieten. Diesen wiederum fiel die Entscheidung nicht schwer, das Angebot abzulehnen. Sie suchten sich lieber eine zweite Heimat im Odenwald. Dann gewann die Arheilger Ramstadt für den baufreudigen jungen Regenten besonderes Interesse. Er baute an jenen Kalkbruch am Messeler Weg eine Ziegelei mit einem Kalkofen.
Bei der Anlage des Teiches vor der jetzigen Gastwirtschaft ist man auf die Spuren der Ziegelei gestoßen. Neben dem Kalkofen war dann aber auch noch genügend Platz für eine Försterei vorhanden, die nicht, wie sonst üblich, nach dem nahen Dorf genannt wurde, sondern ihren Namen von dem benachbarten Kalkofen erhielt.
Das Lager
Der zweite Jagdlandgraf, Ludwig VIII., machte um die Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem übrigen Territorium der Ramstadt für seine Dragoner, die in Arheilgen und Kranichstein stationiert waren, einen militärischen Übungsplatz: das „Lager“. Die Dragonereichen, nahe dabei, sind noch heutige Zeugen einstiger Dragonerherrlichkeit. Das Forsthaus Kalkofen ist uns in seiner ursprünglichen Gestalt überliefert. Der Hofmaler Georg Adam Eger (1727 — 1808) hat es auf einem Gemälde „Parforcejagd an der Dianaburg“ festgehalten. Auf der rechten Seite des Bildes lugt es als ein damals übliches einstöckiges Haus mit „gebrochenem“ Dach aus dem Wald. Der Umbau zu einem zweistöckigen Gebäude erfolgte 1791.
Die Oberförsterei Kalkofen erlebte ihre große Zeit, wie die meisten Darmstädter Altforsthäuser, im 18. Jahrhundert unter den Jagdlandgrafen. Als erster Stelleninhaber ist der Oberförster Johannes Klippstein von 1713 bis 1729 überliefert. Danach besetzten die beiden Försterfamilien der Rautenbuschs und Brendels das Forsthaus in regelmäßiger Abwechslung fast acht Jahrzehnte:
- 1729 – 1741 Johann Ghristoph Rautenbusch
- 1741 – 1764 Henrich Wilhelm Brendel
- 1764 – 1794 Friedrich Ludwig Rautenbusch
- 1795 – 1807 Ludwig Brendel
Dabei spielte das Forsthaus Kalkofen lange Zeit die Rolle eines Zubringers für die gehobener Oberförsterei bei Messel. Nichts zeigt die gesellschaftliche Bedeutung der zwei Forstfamilien auffallender als der „Jägerstuhl“ in der Arheilger Kirche, über den schon mehrfach berichtet wurde.
Im 19. Jahrhundert sank die Oberförsterei am Kalkofen zu einer Revierförsterstelle und schließlich sogar zu einer Forstwartei herab. Zwischendurch wurde sie durch die mehrfachen Kehrtwendungen der Forstorganisation zeitweilig wieder zur alten Oberförsterstelle aufgewertet.